Petersilienschatten

2004년 함부르크 중앙역의 지하철 역 쇼윈도우에 파슬리 가루 설치 작업 Petersilenschatten을 전시했을 때 스테판 트레셔가 써 준 글이다.


Petersilenschatten

Stephan Trescher, 2004

Schaufenster – wie die beiden Schaukästen von weltbekannt im Hamburger Hauptbahnhof – sind die idealen Ausstellungsorte von Changwon Lees Bildobjekten: Stets bestehen sie aus einem regelmäßigen Raster von schmalen, waagerechten Leisten vor neutralem weißen Grund und erwecken so den Eindruck von miniaturisierten Regalen oder Jalousien.
Selten gibt es hinter heruntergelassenen Jalousien Aufregendes zu sehen. Allein das Wissen darum, daß es sich erstens nicht geziemt, anderen Leuten heimlich ins Innere ihrer Wohnung zu spähen und daß man zweitens nie ganz genau sehen kann, was sich wirklich dort abspielt, also immer noch etwas Geheimnisvolles wittern, etwas Rätselhaftes vermuten kann, macht solchen Voyeurismus spannend.
Auch Changwon Lee zeigt in seinen Schattenbildern ganz Alltägliches: Ein Mensch (vermutlich weiblich, zumindest zierlich) sitzt auf einem drehbaren Schreibtischstuhl, der andere Schatten (desselben Modells) ist mit der Pflege einer auf dem Boden stehenden Topfpflanze beschäftigt.
Seltsamerweise sind diese Silhouetten von grünlicher Farbe. Bei näherem Hinsehen erkennt man auch die Ursache für diese Färbung: Das ganze Bild ist nicht etwa gemalt, sondern aus getrockneter Petersilie zusammengesetzt. Das noch Erstaunlichere ist allerdings, daß diese Blattkrümel ganz ach auf den schmalen Leisten liegen und sich der geschlossene Umriß der Figur nur aus der jeweiligen Reflexion an der weißen Rückwand des Bildes ergibt: Im Detail, mit der Nase an der Fensterscheibe betrachtet, sieht man kaum mehr als eine Art von unordentlichem Gewürzregal – aber schon mit wenigen Schritten Abstand setzt sich aus lauter leeren Zwischenräumen vor unseren Augen ein Bild zusammen.
Mit den Gegensatzpaaren Nähe und Distanz, fremd und vertraut, spielt Changwon Lee aber noch auf anderer Ebene. Für ihn als Koreaner war einer der einschneidendsten kulturellen Veränderungen bei seiner Übersiedelung nach Deutschland die Begegnung mit den ungewohnten Lebensmitteln, nicht nur Würstchen oder Vollkornbrot, sondern eben auch Petersilie. Sie nimmt er (wie in anderen Bildern beispielsweise Kaffeepulver) als Material, um damit Porträts von Menschen zu gestalten, die immer seiner engsten Umgebung entstammen, Verwandte, Freunde und Geliebte sind.
Bemerkenswert ist auch die räumliche Tiefenwirkung von Changwon Lees Bildern: Die Schatten, die sich gegen eine imaginäre Lichtquelle abzuzeichnen scheinen, sind zwar flächig und körperlos, aber in ihrer schwebend konturierten Schemenhaftigkeit machen sie uns weis, sie befänden sich in einem Raum hinter dem Bild.
Über die Bildfläche absichtsvoll verteilte grüne Kräuterkrümel beleben nicht nur die ansonsten makellos weiße Fläche und verleihen ihr atmosphärische Tiefe, sondern sie betonen die Flüchtigkeit des Schattenbildes, als sei es nur für einen Moment aus den pflanzlichen Partikeln zusammengeweht worden und könnte im nächsten Augenblick schon wieder aus den Regalen rieseln, zerfallen zu Petersilienstaub.